Vielleicht denkst Du: Oh nein! Schon wieder ein Artikel über Faszien. Überall lese ich darüber, selbst in der Apotheken-Umschau. Wenn Du Trainer oder Therapeut bist, ist es in der letzten Zeit vielleicht schon vorgekommen, dass Du von Kunden bzw. Patienten gehört hast: Meine Faszien schmerzen…..Was ist dran an dem Hype? Ist es nur eine Modeerscheinung – oder ist es etwas wirklich Neues und Wichtiges in unserem Feld? Vielleicht bist Du aber auch Laie in diesem Feld und denkst Dir bei der Überschrift: Was ist denn eine Faszie? Wir werden versuchen, beiden Gruppen in diesem Artikel gerecht zu werden.

Kerstin Bredehorn: Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit dem Thema Faszien. Habe eine Ausbildung zum „Structural Bodyworker“ absolviert, um neben meiner Arbeit als Bewegungspädagogin meinen Kunden auch manuell zu helfen. Manchmal komme ich ausschließlich mit Bewegung nicht weiter. Der Höhepunkt dieser Faszination war der Kurs: „Dissection and Movement“ in Phönix, Arizona Anfang 2016. Wir haben menschliche Leichen seziert von außen nach innen. Der Autor und Entdecker der „Anatomy Trains“, Thomas Myers und der Anatom Todd Garcia haben diesen erhellenden Kurs geleitet. Was ich hier gesehen habe, hat meine Sicht auf die (menschliche) Anatomie revolutioniert. Das ganz Besondere daran war, dass die Körper nicht konserviert, sondern „frisch“ waren. Dadurch bekommt der Sezierende ein wesentlich besseres Gefühl von den Funktionen und dem Gleiten des Gewebes. Immer wieder wurden wir ermuntert, den Leichnam zu bewegen, nachdem die obersten Schichten entfernt worden waren. Das ist absolut faszinierend!

Eigentlich ist es klar, aber trotzdem war es für mich unglaublich lehrreich zu sehen und zu fühlen, dass wir Menschen genauso aussehen wie das Fleisch an der Fleischtheke. Ich sehe jedes Rinderfilet und jede Hühnchenbrust seitdem mit anderen Augen. ]

Was sind denn nun überhaupt Faszien?

[read more=“Read more“ less=“Read less“]

In diesem Blog-Artikel wollen wir dich nicht mit wissenschaftlichen Studien und Fachwörtern überhäufen, sondern wir möchten dir einen kleinen Einblick geben und die Wichtigkeit des Trainings herausstellen. Faszien sind erst einmal grob gesagt unser Bindegewebe. Sie verbinden alles in unserem Körper. Thomas Myers, Faszien-Experte und Autor des Faszien-Standardwerks „Anatomy Trains“ sagt treffend: “ „Wir haben nur einen Muskel, der in 600 Taschen herumlungert“. Übrigens wird auch der Begriff „die Faszien“ falsch benutzt. So handelt es sich bei genauer Betrachtung um eine einzige große Faszie, die de gesamten Körper durchzieht. Spannend, oder?

Faszien sind DIE formgebende Struktur unseres Körpers.

Faszien haben ihre eigenes System! Faszien haben die Möglichkeit, sich eigenständig zusammen zu ziehen und die Form zu verändern. So können sie sich bei Stress zusammenziehen, „unabhängig“ von den Muskeln. Auch befinden sich dort weit mehr Sinneszellen und Schmerzrezeptoren, als in unseren Muskeln.Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass das Faszien System 3x schneller kommuniziert als das Nervensystem. Das verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig das Fasziengewebe und seine gezielte Ansprache mit einem Training ist.

Es gibt drei unterschiedliche Arten von Faszien Gewebe:

1.Oberflächliche Faszien

Jeder von uns hat schon einmal eine Hühnchenbrust in der Hand gehabt. Diese äußere Haut ist die oberflächliche Faszie. Sie umhüllt den Muskel, in ihr ist das Fett gespeichert und sie ist eng mit der Haut verbunden.. Sie hat dünnere Stellen und dickere, an einigen Stellen ist sie enger mit dem Fleisch verbunden, an anderen lässt sie sich ganz leicht lösen. Man kann sich auch vorstellen wie die weiße Haut einer Grapefruit: Wenn ich die Schale einer Grapefruit entferne, behält die Frucht immer noch ihre Form, Sie wird von dieser äußeren Schicht zusammengehalten. Diese Faszien sind also formgebend in unserem Körper.Außerdem ist hier das Fett gespeichert, wenn das Gewebe hier verklebt ist, kann das Fett sich hier nicht verteilen, welches sich dann als Cellulitis äußert.

2. Tiefliegende Faszien

Um beim Bild des Fleisches zu bleiben. Stell Dir ein Steak vor, es ist durchzogen mit weißen Streifen. Dieses sind z.B. tiefliegende Faszien. Sie durchziehen unsere Muskulatur. Sie umhüllen jede Muskelfaser, jede Nervenfaser und jeden Knochen. Sie sorgen dafür, dass unsere Nerven und Blutbahnen am richtigen Ort bleiben.

3. Viszerale Faszien

Dieses sind die Faszien, die unsere Organe umhüllen und vor allem in unserem Bauchraum vorkommen.

[/read]

Gibt es ein bestimmtes Training für die Faszien?

[read more=“Read more“ less=“Read less“] Jein! Es gibt Prinzipien für das Faszientraining, aber selbstverständlich ist es niemals NUR ein Training für die Faszien, sondern immer AUCH für die Muskulatur.

Dr. Robert Schleip, einer der angesehensten Faszien-Forscher unserer Zeit und u.a. Direktor der Fascia Research Group, Division of Neurophysiology, Universität Ulm und Forschungsdirektor der European Rolfing Association hat mit seinem Team 4 Trainingsprinzipien für das Faszientraining aufgestellt,die sich auch in einem gut angeleiteten Barre Workout nach der DoBAR-Methode spiegeln..

1.Stretches über das gesamte Fasziennetzwerk

Beim Soft- Tissue – Stretching handelt es sich um langkettige Dehnungen, bei denen immer wieder die Richtungen /Vektoren geändert werden. Stell dir doch mal eine Katze vor, die sich im morgendlichen Sonnenlicht räkelt. Wie fließend sie von einer genussvollen Dehnbewegung in die nächste übergeht. Da ist nichts hartes, plötzlich exzessives oder extremes, alles ist weich und feinabgestimmt, auch beim Dehnen. Von den Tieren können wir uns viel abschauen in puncto Faszien Fitness.

Warum? Thomas Myers hat mit seinem Begriff der Anatomischen Zuglinien die Sichtweise auf die Anatomie im Sinn von Ansatz und Ursprung komplett geändert. Wir lernen immer noch, dass der Muskel xy hier seinen Ursprung hat und dort aufhört. Das stimmt so auch. Aber die Funktion geht wesentlich weiter. Spanne ich z.B. meinen Bizeps an, hat das über Sehnen und Bänder (Faszien!) eine Auswirkung auf die nächsten Muskeln in dieser Zuglinie. Auch übeträgt sich Energie im Fasziennetzwerk immer über die Fläche. Denke also ruhig von der Augenbraue bis zur Ferse beim Bewegen und Stretchen. Deshalb macht es in der Bewegung Sinn, nicht diesen einzelnen Muskel zu dehnen sondern in der ganzen Linie.

Beim DoBAR setzen wir unter anderem diese Art von Dehnung ein. Immer wieder bereicherst du dein Fasziennetzwerk durch langkettige Dehnungen am Anfang, zwischen durch und am Ende deines Barre Workouts. „Wolhlfühl“-Dehnungen mit Hilfe der Ballettstange oder dem Pilates Ball ergeben eine für dich immer wieder neue Übungsauswahl.

2. Elastische Rückfederung/ Federeigenschaft des Bindegwebes

Hierbei handelt es sich um das Prinzip der Elastischen Rückfederung. Für das Training musst du wissen:, nur durch eine sinnvolle Vorspannung des Fasziengewebes können maximale Kraftleistungen erbracht werden. Gab es eine Zeit, in der Schwünge aus mangelndem Wissen um ihren großen Nutzen schlichtweg aus der Trainingswelt verbannt wurden, so wissen wir heute: Schwingen ist ungemein gesund und von Vorteil für einen flexiblen Körper.

Was bei der damaligen Rückenschule herauskam waren keine gesunden, geschmeidigen und gut funktionierenden Körper. Sondern Patienten, die ihrem Körper nicht mehr trauen und sich nur noch mit Vorsicht und ohne Spaß bewegen. Aber Achtung: nicht gut angeleitetes Schwingen und der große Hype um die Faszien-Fitness haben nicht nur positive Auswirkungen: Menschen, die sich lange nicht bewegt haben, eventuell vorgeschädigt sind, schwingen unkontrolliert und teilweise mit schweren Gewichten herum. Das ist das andere Extrem, welches viele Gefahren birgt.

Im DoBAR System Training haben wir eine gesunde Mischung gefunden. Im Warm Up nutzen wir u.a. das Vorspannen in den Schwüngen, während der Kräftigungsphase gibt es immer wieder Phasen dieses Prinzips, so dass einer Überlastung vorgebeugt wird. Manchmal benutzen wir ausschließlich unser eigenes Körpergewicht, manchmal Toning Bälle (450 g oder 900 g). Die korrekte Ausführung steht bei DoBAR immer klar im Vordergrund. Vorspannung und auch das Lösen in langen Ketten erfordert eine gute Technik. Der Lehrer muss hier behutsam vorgehen und immer wieder schauen, ob die Teilnehmer der Gruppe das wirklich schon leisten können. Extreme Bewegungen sind in den meisten Gruppensituationen keine gute Idee.Ziel ist es über die unterschiedlichen Anatomischen Zuglinien zu schwingen, zu spannen und zu lösen.

3. Faszienentspannung

Hierbei handelt es sich um das Ausrollen des Gewebes mit einer Rolle o.ä. Einfach, effektiv und schnell spürbar nutzt sie vielen Teilnehmern. Im DoBAR nutzen wir häufig Bälle oder z.B. die Pilates-Faszien/Rolle, um das Gewebe zum Abschluss der Stunde zu regenerieren. Übrigens gibt es noch viele weitere Geräte, mit denen du dich ausrollen kannst. Nicht alle machen Sinn. Wir stellen dir bald auch einige vor und erklären, warum diese gut/ weniger geeignet sind. Wir wollen das Gewebe anregen, die Gleitfähigkeit und den Austausch der Flüssigkeit im Gewebe fördern und so letztlich aktiv an seinem Umbau mitwirken. Übrigens: regelmäßiges Ausrollen wird nach aktuellen Erkenntnissen in 3 – 24 Monaten dein Gewebe umbauen helfen. Also lohnt es sich, regelmäßig zum Training zu kommen und dran zu bleiben. Den entspannenden Effekt spührst du aber schon nach der ersten Stunde. Im DoBAR Balance Training (ist noch in der Entwicklung) wird es hier einen weiteren Schwerpunkt geben.

4. Tiefenwahrnehmung/ Propriozeptive Refinement

Faszien sind DER Ort für unsere Körperwahrnehmung. Unzählige Nervenendung dienen der Propiozeption (Eigenwahrnehmung) Hierbei handelt es sich um das sinnliche Bewegen.
Im regulären DoBAR im Training st der Schwerpunkt nicht auf diesem Punkt. Hier arbeiten wir im Rhythmus von motivierender Musik. Im eigens kreierten Workshop DoBAR Balance wird es mehr Raum für dieses Prinzip geben. [/read]